Zwischen Anklage, Erinnerungskultur und Kunst – Tribunale NSU-Komplex-Auflösen und recherchebasierte Theaterprojekte

Wann
Mittwoch - 31.05.2023
19:00 - 22:00

Wo
Lothringer 13 - Florida
Lothringerstr. 13
München

Details

Tribunale NSU-Komplex-Auflösen und recherchebasierte Theaterprojekte

Im Mai 2017 fand das erste NSU-Tribunal parallel zum offiziellen Gerichtsverfahren am Schauspiel Köln statt – als eine Art Gegen-Prozess. Über drei Jahre hatte das Aktionsbündnis »NSU-Komplex auflösen!« gemeinsam mit den Betroffenen der NSU-Mord- und Anschlagsserie die Idee eines Tribunals entwickelt, das die versprochene »lückenlose Aufklärung« selbst in die Hand nimmt. Über mehrere Tage versammelten sich am Schauspiel Köln Überlebende, Betroffene und Verbündete aus unterschiedlichen Zusammenhängen und brachten nicht nur ihr Wissen, ihre Perspektiven und Forderungen mit, sondern nutzten den Raum auch für ihre Trauer, ihre Klagen und Erinnerungen. Es folgten weitere NSU-Tribunale in Mannheim (2018), Chemnitz (2019) und Nürnberg (2022).

In diesem Sinne arbeiten etliche Theatermacher*innen und Autor*innen gegenwärtig daran, die vielen Geschichten rassistischer Gewalt zur Sprache zu bringen und zusammen mit den Betroffenen Räume für Erinnerung, Gedenken, Aufklärung und Aufarbeitung zu schaffen. Doch welche Wirkung haben Phänomene, die mit den Mitteln der Kunst zivilgesellschaftliche Bewegungen aufgreifen und sie in den Institutionen der Kunst und Kultur verhandeln und hörbar machen? Was lässt sich aus der Geschichte der NSU-Tribunale lernen? Und worin liegen die Handlunsgspielräumen und Grenzen künstlerisch-aktivistischer Praktiken?

Darüber und über mehr sprechen wir im FLORIDA mit den beiden eingeladenen Gästinnen Ayşe Güvendiren und Madlyn Sauer.

Madlyn Sauer (*1989 in Erfurt) erforscht in ihrer Promotion an der Uni Zürich die weltweite Einberufungen zivilgesellschaftlicher Tribunale als vielfältige Rechts- und Gerechtigkeitspraxis. Seit Mai 2023 arbeitet sie zu Tribunalen im Forschungsprojekt „Prefiguring Democratic Futures“ an der Uni Wien. Zuvor studierte sie Bühnen- und Kostümbild an der Kunsthochschule in Dresden und war in künstlerisch-aktivistischen Zusammenhängen aktiv. Im Dezember 2022 erschien ihr Buch „Wir klagen an! zu den NSU-Tribunalen im Unrast-Verlag. Sie lebt und arbeitet in Berlin, Wien und Zürich.

Ayşe Güvendiren (*1988 in Wien) ist Regieabsolventin der Otto Falckenberg Schule in München. Sie entwickelt recherchebasierte Arbeiten über strukturellen Rassismus und rassistische Gewalttaten, darunter Gegen Sätze/Gegensätze (2018) sowie Recht(s) – Über das Verbrechen an Marwa El-Sherbini (2020), R-Faktor. Das Unfassbare (2021) sowie aktuell Die Geschichte von Goliat und David (2023) zum Fall Halim Dener. Aufträge führten sie an die Münchner Kammerspiele, das Staatstheater Hannover und Stadttheater Mannheim. Am Stadttheater Giessen ist Ayşe Güvendiren derzeit künstlerische Leiterin des theatralen Stadt-Projekts »Jahr der Erinnerungskultur«.

Foto von Dörthe Boxberg

English:

Tribunals „NSU-Komplex-Auflösen“ and research-based theatre projects

In May 2017, the first NSU Tribunal took place parallel to the official court proceedings at Schauspiel Köln – as a kind of counter-trial. For more than three years, the action alliance »NSU-Komplex auflösen!« had developed the idea of a tribunal together with those affected by the NSU murder and attack series, which would take the promised »complete clarification« into its own hands. Over several days, survivors, victims and allies from different contexts gathered at Schauspiel Köln and not only brought their knowledge, perspectives and demands, but also used the space for their mourning, lamentations and memories. Further NSU tribunals followed in Mannheim (2018), Chemnitz (2019) and Nuremberg (2022).

In this sense, a number of theatre makers and authors are currently working on giving voice to the many stories of racist violence and creating spaces for remembrance, commemoration, clarification and reappraisal together with those affected. But what effect do phenomena have that take up civil society movements with the means of art and negotiate them in the institutions of art and culture and make them audible? What can be learned from the history of the NSU tribunals? And what are the possibilities for action and the limits of artistic-activist practices?

We will talk about this and more at FLORIDA with the two invited guests Ayşe Güvendiren and Madlyn Sauer.

Madlyn Sauer (*1989 in Erfurt) is researching the worldwide convening of civil society tribunals as a multifaceted practice of law and justice in her doctoral thesis at the University of Zurich. Since May 2023, she has been working on tribunals in the research project „Prefiguring Democratic Futures“ at the University of Vienna. Previously, she studied stage and costume design at the Kunsthochschule in Dresden and was active in artistic-activist contexts. In December 2022, her book „Wir klagen an! on the NSU tribunals was published by Unrast-Verlag. She lives and works in Berlin, Vienna and Zurich.

Ayşe Güvendiren (*1988 in Vienna) is a graduate in directing from the Otto Falckenberg School in Munich. She develops research-based works on structural racism and racist violence, including Gegen Sätze/Gegensätze (2018) as well as Recht(s) – Über das Verbrechen an Marwa El-Sherbini (2020), R-Faktor. Das Unfassbare (2021) and currently Die Geschichte von Goliat und David (2023) on the Halim Dener case. Commissions have taken her to the Munich Kammerspiele, the Staatstheater Hannover and Stadttheater Mannheim. At the Stadttheater Giessen, Ayşe Güvendiren is currently artistic director of the theatrical city project „Year of Remembrance Culture“.

Photo by Dörthe Boxberg

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