Revolutionswerkstatt „Hier Revolution! Wer dort?“

Wann
Montag - 13.02.2017
19:00 Uhr

Wo
Sendlinger Kulturschmiede
Daiserstraße 22
München

Details

Gustav Landauer und der Anarchismus
von Dr. Siegbert Wolf (Frankfurt/M.)

Gustav Landauer (7. April 1870 Karlsruhe – 2. Mai 1919 München-Stadelheim, ermordet) gehört, neben Erich Mühsam, bis heute zu den bedeutendsten Anarchisten im deutschsprachigen Raum. Sein Denken und Handeln war maßgeblich von den Werten der Freiheit, sozialen Gerechtigkeit und Emanzipation bestimmt. Als Literaturkritiker, Übersetzer, Roman- und Novellenautor, Vortragsredner und Essayist, als libertärer Sozialist und jüdischer Kulturphilosoph, genoss Gustav Landauer hohes Ansehen. Er agierte als (Anti-)Politiker, Kultur- und Sprachkritiker sowie Initiator zahlreicher anarchistischer Projekte („Sozialistischer Bund“ u.a.). Seine ausformulierte Konzeption eines libertären und föderativen Sozialismus – Stichwort: kommunitärer Anarchismus – gehört in das Zentrum seines Denkens und Handelns.
Während der Revolution von 1918/19 engagierte sich Gustav Landauer von München aus für eine freiheitliche Umgestaltung der Gesellschaft. Unablässig warb er für eine föderatives und dezentrales Rätesystem. Während der ersten bayerischen Räterepublik im April 1919 agierte er als „Volksbeauftragter für Volksaufklärung“, sprich: Kulturminister. Anfang Mai 1919 wurde er im Zuge der Niederschlagung der Revolution brutal ermordet.
Der Vortrag rückt Gustav Landauers Anarchismusverständnis jenseits von Zentralstaat, Kapitalismus und Großindustrialismus – samt Gegenwartsbezug – in den Vordergrund.

Zur Person des Referenten:
Dr. Siegbert Wolf (Frankfurt/M.), Historiker und Publizist. Zahlreiche Bücher u.a. über Gustav Landauer, Martin Buber, Hannah Arendt und Jean Améry sowie zur Frankfurter Stadtgeschichte. Seit 2008 Herausgeber der „Ausgewählten Schriften“ Gustav Landauers im Verlag Edition AV (Lich/Hessen). Zuletzt erschienen Band 12: Friedrich Hölderlin in seinen Gedichten (2016) u. Band 13: Die Revolution (2017).

 

Erich Mühsam und der Anarchismus
von Dr. Peter Seyferth (München)

Erich Mühsam (6. April 1878 in Berlin – 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg, ermordet) gehört, neben Gustav Landauer, bis heute zu den bedeutendsten Anarchisten im deutschsprachigen Raum. Er war Redakteur und Herausgeber mehrerer anarchistischer Zeitschriften („Der arme Teufel“, „Kain“, „Fanal“). Sein literarisches Schaffen umfasst nicht nur politische Schriften, sondern auch Gedichte, Dramen und Sachbücher; er veröffentlichte auch in satirischen Zeitschriften wie „Simplicissimus“, „Jugend“ und „Ulk“. Mühsam gehörte der Münchner Bohème an und versuchte auch, reale Gemeinschaften der (oft künstlerischen) Underdogs zu schaffen, in München und in Ascona („Monte Verità“). Im Rahmen des von Landauer gegründeten „Sozialistischen Bunds“ agitierte er das sogenannte „Lumpenproletariat“ für den Anarchismus. Sein Anarchismus war von Kropotkin inspiriert, begründete sich aber stärker durch Betroffenheit und Aktivismus als durch wissenschaftliche Theorien. Mühsam versuchte auch, Anarchisten und Kommunisten einander anzunähern, wurde aber ein ums andere Mal von letzteren enttäuscht. Dennoch blieb er überzeugter Anarchokommunist.
Ende 1918 wurde Mühsam Mitglied des Revolutionären Arbeiterrates. Nach Kurt Eisners Ermordung gehörte er zu den Initiatoren der ersten, anarchistischen Phase der Münchner Räterepublik. Dies brachte ihm nach dem Sieg der Koalition aus Reaktion und Sozialdemokraten lange Jahre Festungshaft ein. Davon ungebrochen setzte er sich auch in der Weimarer Republik für eine Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ein, die nur ohne Staat und ohne Kapitalismus möglich ist. Nach ihrer Machtergreifung steckten ihn die Nazis ins KZ, wo sie ihn ermordeten.
Der Vortrag legt den Schwerpunkt auf Erich Mühsams Anarchokommunismus und stellt sich auch der Frage, wie relevant diese revolutionäre Ideologie heute noch sein kann.

Zur Person des Referenten:
Dr. Peter Seyferth (München), Politikwissenschaftler und freiberuflicher Politischer Philosoph. Zuletzt gab er den Sammelband „Den Staat zerschlagen! Anarchistische Staatsverständnisse“ (Baden-Baden: Nomos, 2015) heraus.

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