[Livestream] Vortrag: Antisemitismus im Black Metal

Wann
Mittwoch - 16.12.2020
19:00 - 21:00

Details

So großartig viele Formen des Metals sein mögen, so problematisch sind viele seiner Inhalte und Darstellungsweisen. Die Begeisterung für einfache gut/böse-Schemata und Verklärungen vormoderner Zustände sind ebenso weit verbreitet wie männlich-martialische Inszenierungspraktiken von Musikern, menschenverachtende Lyrics und Albumcover. Doch die meisten dieser Fantasien und Praktiken bleiben Fiktion und Schauspiel; sie beanspruchen keine Wirkung auf das Leben. Aus genau dieser Trennung versucht der Black Metal in den 1990er Jahren seine Legitimation zu beziehen – während andere Bands nur von Mord, Zerstörung und der Umwertung aller Werte singen, treten einige jugendliche Norweger an, dies zu ändern. Mit ihnen kommt ein Aktionismus in den Metal, den es weder davor noch danach so gegeben hat. Zahlreichen Kirchenbrandstiftungen und einige Morde waren die Folge. Diese zunächst politisch noch ungerahmten Ereignisse wurden vor allem von Varg Vikernes, Musiker der Band Burzum und wegen Mordes inhaftiert, nach und nach in das Narrativ eines Kulturkampfes integriert, der den Black Metal für verschiedene rechte Positionen geöffnet hat. Dass heute faschistisches Denken, antisemitische Bilder und Argumentationsstrategien im Black Metal weit verbreitet sind, ist im wesentlichen Vikernes zu verdanken. Diese werden jedoch nicht nur bei unverhohlen als NS-Black Metal auftretenden Bands offenkundig, sondern auch bei anderen, sich häufig als ,unpolitisch’ bezeichnenden Bands. Ob in der Begeisterung für den Zweiten Weltkrieg, der Idealisierung ‚germanischer Ahnen’, einer selektiv verfahrenden Religionskritik oder in Verschwörungstheorien, mit denen komplexe kulturgeschichtliche Zusammenhänge und politische Machtverhältnisse erklärt werden – in vielfältiger Form geistern faschistische Elemente und Bausteine des (nicht nur) modernen Antisemitismus durch Lyrics, Coverdarstellungen und Interviews von Black Metal-Bands bzw. ihren -Musiker/innen. Der Vortrag möchte die Anschlussfähigkeit faschistischer und antisemitischer Vorstellungen gerade im Black Metal erörtern und anhand zentraler Beispiele seine Funktion diskutieren.

Dr. Niels Penke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen. Nach dem Studium von Germanistik, Skandinavistik und Philosophie wurde er mit einer Arbeit über Ernst Jünger promoviert. Zu seinen Beschäftigungsschwerpunkten zählen u.a. die Literatur der Alten wie Neuen Rechten, Metal, Theorie und Geschichte populärer Kulturen, aber auch die Rezeption nordischer Mythen in der Moderne. 2016 veröffentlichte er (mit Matthias Teichert) den Band Zwischen Germanomanie und Antisemitismus. Transformationen altnordischer Mythologie in den Metal-Subkulturen, 2018 erschienen Jünger und die Folgen und Populäre Kulturen zur Einführung (mit Matthias Schaffrick).

Gefördert von der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Mittwoch, 16. Dezember 2020, ab 19.00 Uhr per Livestream. Teilnahme nur durch Anmeldung bei [email protected] (Bitte Klarnamen dabei angeben.)

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