Wann
Samstag - 03.08.2024
15:00 - 17:00
Wo
Sendlingerstraße 8
Sendlingerstraße 8
München
Vor 10 Jahren marschierte das selbsterklärte Daesh-Kalifat in Şingal ein und begann seinen Völkermord an den Jesid_innen. Mindestens 5.000 wurden ermordet. 6.000 bis 11.000 Frauen und Mädchen wurden verschleppt, versklavet, zwangsverheiratet, vergewaltigt, gefoltert – ca. 2.700 sind noch immer verschollen.
Möglich wurde der Völkermord auch dadurch, dass die in der Region stationierten kurdischen PDK-Peschmerga Jesid_innen zuvor entwaffnet hatten, beim herannahen des IS jedoch flohen. Erst das Eingreifen der linken kurdischen YPG/YPJ aus Syrien, der HPG – der PKK-Guerilla – und jesidischer Einheiten, zum einen der linken, mit PKK-Unterstützung aufgebauten YBŞ, zum anderen der PDK-nahen HPÊ, zusammen mit US-amerikanischer Luftunterstützung konnte zunächst einen Fluchtkorridor für eingeschlossene Jesid_innen schaffen, Daesh zurückschlagen und dem Blutbad Einhalt gebieten.
Die deutsche Bundesregierung – einschließlich der Menschenrechtsbeauftragten Amtsberg – unterstützt das sogenannte Sinjar-Abkommen von 2020, welches ohne Einbeziehung jesidischer politischer Strukturen und der jesidischen Selbstverteidigungsgruppen YBŞ und HPÊ eine Machtaufteilung in Şingal zwischen der iraqischen Zentralregierung und der kurdischen PDK-Regionalregierung beschloss. Dieselben Kräfte, die 2014 beim Völkermord bloß zusahen und die Selbstverteidigung entwaffneten, sollen demnach für die Sicherheit von Jesid_innen bürgen. Auf türkischen Druck strebt auch die iraqische Zentralregierung seit letztem Jahr eine Entwaffnung der YBŞ an. Auch der Bundestagsbeschluss von Anfang 2023, welcher den Genozid als solchen anerkannte, bemerkte zwar die fehlende politische Repräsentation von Jesid_innen, stellte sich jedoch vorbehaltlos hinter das Sinjar-Abkommen.
Gleichzeitig schweigen die NATO-Partner zu den türkischen Angriffen auf Şingal, welche sich insbesondere gegen die linke YBŞ richten. Angesichts der dauerhaft unsicheren Lage – Angriffe von außen aus der Türkei und fehlende eigene Strukturen, die vor lokalen Angriffen schützen könnten – sind bislang 80% der aus Şingal geflohenen Jesid_innen nicht in ihre Heimat zurückgekehrt. Die meisten leben in erbärmlichen Bedingungen, oft ohne Strom, Wasser und Infrastruktur in Iraqisch-Kurdistan.
Völkermordüberlebenden wird gleichzeitig eine Flucht in die EU unmöglich gemacht. Trotz Bundestagsbeschluss zur symbolischen Anerkennung des Völkermords werden Jesid_innen in den Iraq abgeschoben. Die Grenzen sind weiter abgeschottet denn je. Statt Jesid_innen eigene Perspektiven zu geben, werden etwa Jesid_innen, welchen durch das Lukašenko-Regime die Einreise nach Europa ermöglicht wurde, an der polnisch-weißrussischen Grenze zurückgeprügelt.
Eine Strafverfolgung der Täter (und Täterinnen) des Völkermords wird auch durch die europäischen Staaten systematisch unmöglich gemacht. Mehr als zehntausend militante Daesh-Jihadisten sitzen in Gefangenenlagern der Demokratischen Föderation Nordsyriens, welche nicht über die Mittel verfügt, all jenen Gefangenen den Prozess zu machen. Europäische Staaten ebenso wie der Iraq verweigern die Rücknahme ihrer Staatsbürger_innen, um ihnen für ihre Verbrechen den Prozess zu machen. Auch die Pläne eines internationalen Tribunals nach dem Völkerstrafrecht erhalten fast keine Unterstützung. 40.000 Daesh-Frauen samt Kinder, die jihadistisch erzogen werden, sind zudem im Lager Al-Houl interniert. 2022 konnten aus dem Gefängnis in Hasaka hunderte Jihadisten ausbrechen, während gleichzeitig die Türkei ihren militärischen Druck auf die Demokratische Föderation Nordsyriens verstärkte.
Jesidische Gemeinschaften weltweit und auch in vielen Städten Deutschlands gedenken morgen des Völkermords. Gedenken wir gemeinsam und treten wir der deutschen Missachtung der Jesid_innen im Iraq entgegen!
Berlin 18:00, Bebelplatz
Düsseldorf 15:00, Platz des Landtags
Hannover 12:00, Steintorplatz
München 15:00, Sendlingerstr. 8
Stuttgart 14:00, Königstr./Ecke Marschallstr.
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