Toleranz: Über den demokratischen Fundamentalismus und seine völkischen Gegner

Wann
Donnerstag - 28.07.2016
19:00 - 22:00

Wo
EineWeltHaus
Schwanthalerstr. 80
80336 München

Details

Vortrag und Diskussion
Toleranz: Über den demokratischen Fundamentalismus und seine völkischen Gegner

Seit geraumer Zeit tobt in Deutschland ein erbitterter, geradezu unversöhnlicher Streit um – ausgerechnet – die Toleranz im Lande, darum nämlich, ob und wie viel davon die schöne deutsche Heimat unbedingt braucht oder aber keinesfalls verträgt.
Die Bunten, Weltoffenen sind stolz darauf, wie bunt und weltoffen sie sind, und erklären das zur verbindlichen Leitlinie für alle anderen Volksgenossen; vor allem deswegen, damit sie sich in einem bunten und weltoffenen Deutschland auch daheim und wohlfühlen können. Ob sozial randständige Arbeitsmigranten der dritten Generation, ausgebombte arabische Bürgerkriegsflüchtlinge, sexuell experimentierfreudige Deutsche: Keinen stoßen sie moralisch aus dem aus, was sie für „unser Gemeinwesen“ halten; das besteht in ihren Augen wesentlich darin, dass man in ihm gefälligst nach ’seiner Fasson selig‘ werden darf. Entsprechend stinkig werden sie gegen diejenigen, die sich an diese Maßgabe nicht halten mögen, und bekennen sich dazu, dass gegen die Unduldsamkeit nicht nur erlaubt, sondern geboten ist. Dass diese von ihnen als ‚dumpf‘ verachteten Gegner weltbürgerlicher Freizügigkeit irgendwie auch zu Deutschland gehören, also ‚unsere Gemeinschaft‘ dann wohl doch etwas anderes zu sein scheint, als ein Haufen Toleranzbolzen, und dass überhaupt die Tugend Toleranz – wörtlich ‚Aushalten‘ von anderen – nie und nimmer eine ‚Gemeinschaft‘ begründen kann – daran verschwenden sie keinen Gedanken. Irgendwie wissen sie allerdings, dass sie mit ihrer gelebten und geforderten demokratischen Tugend in diesem Land genau soweit ‚daheim‘ sind, wie die staatliche Obrigkeit sich dazu herbei lässt, zu tolerieren bzw. zu dekretieren, was die selbst für tolerabel und politisch geboten hält. Die Politik fordern sie nämlich gebieterisch auf, die solle gefälligst diejenigen zur Räson bringen, die etwas gegen ihr Programm einer Republik mit ‚freundlichem‘ Gesicht haben.
Von denen gibt es viele, und sogar immer mehr, die Toleranz für den Ausverkauf ihrer Heimat halten und sich vorstellen können, vor lauter Toleranz sogar bald ‚fremd im eigenen Land‘ zu sein. Dass ist offenbar eine schlimme Perspektive – auch diese Zeitgenossen finden nämlich nichts so wichtig, wie die Erfüllung des Wunsches sich da ‚daheim‘ zu fühlen, wo auch sie sich nicht ausgesucht haben zu leben, sondern wo es sie per Geburt hin verschlagen hat. Komischerweise scheint sich dieses ganz, ganz innere Gefühl – manche reden ja heute noch vom Blut – immer nur dann einzustellen, wenn der Rest der ortsansässigen Mannschaft genauso tickt und sich mit ihnen darin einig ist, im Gegensatz zu anderen, die hierzulande ‚Fremde‘ sind, einem ganz ausgezeichneten nationalen Kollektiv anzugehören. Jedenfalls verträgt sich ihr Heimatgefühl schon mit der bloßen Vorstellung von der Anwesenheit und Ausbreitung anderer Sitten beim Reden, Essen, Aussehen …, die man zu ‚tolerieren‘ hätte, überhaupt nicht. Auch sie rufen deswegen immerzu nach der Obrigkeit, die mit ihrer Gewalt dafür sorgen soll, dass sich bei uns nur das gehört, was sich bei uns gehört, und nur hier ist, wer hierher gehört. Dass die Volksgemeinschaft, die sie nur durch gewaltsam gesicherte Uniformität überhaupt für ‚überlebensfähig‘ halten, dann wohl doch keine so ganz naturwüchsige Sache ist; dass weder Volk noch Staat tatsächlich davon ‚leben‘, geschweige denn die deutsche Nation dadurch zu der politischen und ökonomischen Macht geworden ist, die sie heute darstellt, dass sich in Deutschland nur an gute deutsche Sitten gehalten wird – daran verschwenden sie keinen Gedanken.

So streiten sich die guten Deutschen beider Seiten erbittert bis hasserfüllt und grenzen sich permanent wechselseitig aus der Gemeinschaft der guten Deutschen aus. Gemeinsam ist ihnen dabei der Appell an die staatliche Gewalt, die möge dekretieren und durchsetzen, was sie jeweils für anständig halten; gemeinsam damit auch die Ignoranz, was das wirkliche Verhältnis von Staatsgewalt, staatlichem Toleranzgebot und seinen Grenzen betrifft.
Die Diskussionsveranstaltung will über dieses Verhältnis theoretische Klarheit stiften; und damit auch über das ungehemmte Selbstlob, das diese Staatsgewalt daraus verfertigt, und den tugendhaften Reim, den sich die ordinären deutschen Demokraten und Volksgenossen jeweils darauf machen.

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