Wann
Mittwoch - 18.11.2015
8:30 - 9:30
Wo
Amtsgericht München
Nymphenburger Str. 16
München
[UPDATE: Prozesstag ist abgesagt]
Gemeinsame Fahrt zum NSU-Prozess von Fürth nach München
ab 08:30 Uhr antifaschistische Kundgebung (Nymphenburger-/ Ecke Sandstraße)
2 1/2 Jahre NSU-Prozess: Und es bleibt alles wie es ist…
Seit dem 6. Mai 2013 wird am Münchner Oberlandesgericht der sogenannte NSU-Prozess verhandelt. Auf der Anklagebank sitzen unter anderem die Rechtsterroristin Beate Zschäpe, der frühere NPD- Funktionär Ralf Wohlleben und der Neonazi Andre Eminger. Während es einzelne Themen, die im NSU-Prozess behandelt werden, nur noch selten an die Öffentlichkeit schaffen, geht das Treiben des
Verfassungsschutz (VS) und die Hetze gegen Flüchtlinge und Migranten in Deutschland ungehindert weiter.
Fünf der insgesamt zehn NSU-Morde wurden in Bayern verübt. Drei davon in Nürnberg, zwei in München. Zwischen dem „Thüringer Heimatschutz“, in dem die Haupttäter des NSU vor ihrem Abtauchen organisiert waren, und der bayerischen Naziszene bestanden in den 90er Jahren enge Verbindungen. Böhnhardt und Mundlos nahmen an verschiedenen Treffen und Veranstaltungen der Szene in Bayern teil. Einige der engsten UnterstützerInnen des NSU lebten oder leben immer noch in Bayern. Mit Tino Brandt und Kai Dalek stehen zwei V-Leute des Verfassungsschutzes auch für die Verbindung zwischen der thüringischen und der bayerischen Naziszene.
Der Verfassungsschutz: Ein Teil des Problems!
Auch wenn wir bis heute nicht genau wissen und wissen können, wie genau der NSU strukturiert war, wer für was verantwortlich war und wer wie viel wusste, so ist doch unzweifelhaft klar, dass er mehr AkteurInnen umfasste, als die fünf in München angeklagten. Der NSU war nicht das „Terrortrio“, als das er oft in der boulevardesken Berichtserstattung erscheint, er war logistisch und ideologisch in
Nazistrukturen eingebunden. Nur so konnte er 12 Jahre lang im vermeintlichen Untergrund agieren, zehn Menschen ermorden, mindestens einen Sprengstoffanschlag verüben und eine ganze Reihe von Banküberfällen begehen. Nicht angeklagt sind die MitarbeiterInnen der Verfassungsschutzämter, die das Umfeld des NSU mit aufgebaut, logistisch unterstützt, finanziert und bei den Morden des NSU zumindest weggesehen haben oder direkt vor Ort waren. Seit Bekanntwerden der Mordserie des NSU offenbart sich eine erschreckende Politik der Verschleierung: Vorsätzlich vernichtete und verheimlichte Akten, konsequentes Vertuschen und
Lügen in Untersuchungsausschüssen, wenige alibi-Rücktritte von Verantwortlichen. Eine transparente, schonungslose Aufklärung der Rolle von Geheimdiensten und Polizeibehörden findet bisher nicht
statt. Statt ernsthafte politische Konsequenzen gegen Rassismus und die skandalöse Unterstützung des Aufbaus von Nazistrukturen durch MitarbeiterInnen des Verfassungsschutzes (VS) zu ziehen,
reden die verantwortlichen PolitikerInnen weiter von vereinzelten Pannen.
Rechte Gesinnung hat beim VS Kontinuität: So wurden Kriegsverbrecher nach Ende des NS-Regimes unter falschen Namen und mit falschen Pässen eingestellt. Im Anschluss der alliierten Aufsichtspflicht im Jahr 1956 wurden diese legalisiert und unter ihren eigentlichen Personalien weiter beschäftigt.
Zwischen 500 und 800 „ehemaliger“ Nazis waren in sämtlichen Bereichen des Amtes eingestellt. In den 1960er Jahren bekämpfte der VS die StudentInnenbewegung, in den 70er und 80er Jahren
lieferte er das Material für die Berufsverbote linker AktivistInnen. Vor neun Jahren scheiterten die Pläne für ein NPD-Verbot nicht zuletzt daran, dass diese bis in die höchsten Führungsetagen von V-
Leuten und Spitzeln des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Auch das unmittelbare Umfeld des NSU ist voll von mit V-Leuten aus Verfassungsschutz und Polizei. Durch die rassistischen Ermittlungen der Sicherheitsbehörden wurden Familien, Verwandte und
persönliches Umfeld der NSU-Opfer über Jahre überwacht und akribisch durchleuchtet. Durch den völlig unbegründeten Verdacht gegen das familiäre Umfeld der Opfer wurden soziale
Zusammenhänge zerrissen und die persönliche Existenz zahlreicher Menschen zerstört.
Der Rassismus von Behörden und Öffentlichkeit verhinderte so zweifach die Aufklärung der Morde:
Während die Hinweise auf rassistische Hintergründe ausgeklammert und vernachlässigt wurden, erschien die These, Gewerbetreibende mit Migrationshintergrund seien in mafiöse Strukturen
verwickelt, der Polizei und einer breiten Öffentlichkeit unmittelbar einleuchtend und erübrigte weiteres Nachfragen.
Deshalb kann die einzige Konsequenz aus der Verstrickung der Behörden nur sein:
Verfassungsschutz abschaffen! Wir müssen verhindern, dass die Regierung die NSU-Morde weiter dafür instrumentalisiert, um ihren Sicherheitsapparat weiter aufzurüsten, und damit endgültig eine der
wenigen Konsequenzen aus dem deutschen Faschismus – die Trennung von Geheimdiensten und Polizei – rückgängig macht.
Das Übel an der Wurzel packen – Kapitalismus abschaffen!
Der grundlegende Pfeiler kapitalistischer Logik, das Ausbeuten der werktätigen Klasse durch die Produktionsmittel besitzende Bourgeoise und die umkämpfte Monopolisierung sämtlicher Industrie- und Handelszweige bietet den gesellschaftlichen Nährboden, auf dem die faschistischen Ideologien
wachsen und gedeihen können. Wenn wir vom Antifaschismus sprechen, meinen wir mehr als reine Anti-Nazi-Arbeit. Für uns geht es um die ganzheitlichen Zustände in unserer Gesellschaft. Das nach
Vernichtung strebende Weltbild der FaschistInnen stellt die Zuspitzung der kapitalistischen Einteilung der Menschen in „verwertbar“ und „wertlos“ dar. Denn auch und gerade die selbsternannte „Mitte der Gesellschaft“ und die Politik bieten immer wieder Schützenhilfe: Rassistische Flüchtlingspolitik,
repressive Sozialpolitik, Beteiligung an Kriegen und autoritäre Lösungen für die Krisen von EU- Staaten bieten einen fruchtbaren Boden für das Erstarken rechter Bewegungen.
Der strukturelle Zusammenhang von Naziterror mit staatlichem und alltäglichem Rassismus in Gesellschaft, Politik und Medien zeigte sich bei der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl
nach den Pogromen Anfang der 90er Jahre wie auch jetzt bei aktuellen rassistischen Anti-Islam- Kampagnen: Der Rassismus ist tief verankert in der Mitte der Gesellschaft. Dass sich auch nach
dieser Mordserie nichts Grundsätzliches im Bewusstsein der Menschen verändert hat, verdeutlichen folgende Beispiele: 23 Jahre nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen kämpfen Flüchtlinge immer noch für elementare Menschenrechte in Deutschland, werden Sinti&Roma stigmatisiert und in eine unsichere Zukunft abgeschoben, werden beinahe tägliche Flüchtlingsunterkünfte angegriffen oder angezündet. Hier lebende MigrantInnen werden täglich diffamiert, bedroht, angegriffen und kriminalisiert.
Die Verharmlosung und Vertuschung von Rassismus und Naziterror hat eine lange Tradition in diesem Land. Rechte und rassistische Gewalttaten und Morde haben in Deutschland eine traurige Kontinuität. Beispiele gibt es viele: Die blutige Spur reicht vom bis heute scheinbar unaufgeklärten Oktoberfestattentat, über die rassistischen Anschläge und Pogrome in Rostock, Mölln, Solingen und Hoyerswerda, über die seit 1989 rund 200 Morde an MigrantInnen, Obdachlosen, Punks und AntifaschistInnen bis hin zu den Morden des NSU. Antifaschismus bedeutet, die Zusammenhänge zu benennen und zu bekämpfen. So lange unsere
Gesellschaft kapitalistisch organisiert ist, so lange wird es faschistische Verbrechen, so lange wird es unsägliche Pegida-Aufmärsche, Naziangriffe und brennende Flüchtlingsheime geben. Diese Verbrechen sind die logische Folge der Herrschaftsform. Ein Ende des Kapitalismus kann nur durch eine Umwälzung der Gesellschaft erreicht werden. Erst wenn der Ausbeutung und Unterdrückung eines Großteils der Weltbevölkerung durch die politisch und ökonomisch herrschende Klasse ein Ende
gesetzt und durch eine solidarische und klassenlose Gesellschaftsform ersetzt wird, kann die Forderung „auf dass Auschwitz nie wieder geschehe“ tatsächlich Wirklichkeit werden. Dass diese Veränderung nicht von den herrschenden Eliten herbeigeführt wird, liegt auf der Hand. Gerade jetzt ist es wichtig, Stärke und Entschlossenheit zu zeigen. Überall dort, wo sich Menschen gegen Nazis, Pegida-RassistInnen und reaktionäre Ideologien einsetzen, werden Nazis in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt und zurück gedrängt. Bekämpfen wir gemeinsam Rassismus in Gesellschaft, Politik und Institutionen!
Schonungslose Aufklärung der Verstrickung von Geheimdiensten und Polizeibehörden!
Verfassungsschutz abschaffen!
Abschaffung aller rassistischen Gesetze – Refugees welcome!
Für eine klassenlose,
solidarische Gesellschaft
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