Dokumentarfilm „The Silent Revolution“ über Rojava mit anschließender Diskussion

Wann
Mittwoch - 03.09.2014
19:00 Uhr

Wo
EineWeltHaus
Schwanthalerstr. 80
80336 München

Details

„The Silent Revolution“ ist eine 50-minütige Dokumentation, gedreht von David Meseguer und Oriol Gracià, über den Aufbau der Demokratischen Autonomie in Westkurdistan/ Syrisch-Kurdistan, genannt Rojava. Nach dem Ausbruch der syrischen Konflikts 2011 haben die Kurd*innen in Rojava einen dritten Weg unabhängig von dem des Assad-Regimes und dem des Syrischen Nationalrats und der Freien Syrischen Armee (FSA) eingeschlagen. Die Kurd*innen begannen eine politische, soziale und kulturelle Erneuerung von historischer Bedeutung, die besonders ab dem Aufbau eigener Selbstverwaltungsstrukturen unter dem Begriff „Demokratische Autonomie“ ab 2012 in der Öffentlichkeit bekannt wurde.

Eintritt: Frei (Spenden gerne erwünscht)

Die beiden katalanischen Regisseure geben an, sie hätten den Film aus zwei Gründen gedreht: zum einem wurde im Zuge der Berichtserstattung aus Syrien Rojava komplett ausgeblendet, was sie mit einem eigenen Beitrag ändern wollten, zum anderen sehen sie Ähnlichkeiten zu den Entwicklungen im Katalonien der 70er Jahren nach der Franco-Diktatur.

„The Silent Revolution“ versucht, einen Einblick in das Alltagsleben in Rojava in Zeiten des Konflikts zu schaffen. Dabei wird das Leben von hauptsächlich vier Personen begleitet und dokumentiert. Bei der ersten Person handelt es sich um eine Mutter von drei Kindern, die bei den Volksverteidigungseinheiten (YPG) kämpft. Bei der zweiten Person handelt es sich um einen älteren Mann, der in der Partei der demokratischen Einheit (PYD) aktiv ist. Die dritte Person unterrichtet das unter dem Regime verbotene Kurdisch in neu aufgebauten Schulen. Die vierte Person ist eine Schülerin, die nur noch mit ihrer Mutter zusammen lebt, da allen anderen Verwandten vor dem Krieg und der Armut aus der Region geflohen sind, und sich auf ihren Auftritt als Sängerin bei den bevorstehenden Newroz-Feierlichkeiten vorbereitet.

Ziel dieser Dokumentation ist es nicht eine akademisch korrekte und ganzheitliche Beschreibung der Lage mit allen politischen Facetten darzustellen, sondern einen Einblick in den Alltag der Personen zu schaffen. Auf diese Weise ist ein Einblick in die Entwicklung Rojavas Anfang März 2013 entstanden, der heute bereits von Fortschritten überholt ist, doch schon jetzt ein wichtiges Zeitdokument darstellt.

In den zeitgeschichtlichen Kontext ist der Film etwa ein halbes Jahr vor der Einrichtung der drei Kantone in Rojava, also kurz vor Newroz im März 2013 einzuordnen. Die Dynamiken in Rojava haben sich seitdem stark verändert.

Der Kampf der Frauen Rojavas für eine Befreiung der Geschlechter wird im Film nur kurz thematisiert und steht nicht im Fokus. Vor allem der Aufbau eigener Verteidigungseinheiten der Frauen (YPJ) und zivilgesellschaftlicher Einrichtungen findet im Film noch keine Erwähnung.

Den größten Teil nehmen hingegen das Erblühen der kurdischen Kultur und die Befreiung aus der Unterdrückung durch das Assad-Regime ein.

Der Kampf gegen islamistische Gruppen wird auch erwähnt, hat aber vor allem seit letztem August die Selbstverteidigung Rojavas herausgefordert und vielen Menschen das Leben gekostet. Gerade diese Angriffe radikalislamistischer Gruppen wie der Al-Nusra Front oder der Gruppe Islamischer Staat in Irak und Syrien (ISIS) auf die multiethnischen, -kulturellen und -religiösen Siedlungen und Strukturen der Demokratischen Autonomie zeigen, dass eine friedliche Lösung des Konflikts nur partizipativ und demokratisch gestaltet werden kann.

Kurz wird auch auf Konflikte mit anderen kurdischen Parteien eingegangen, ohne dies genauer auszuführen. Im Film wird der Hohe Kurdische Rat, ein Gremium nahezu aller kurdischen Parteien in Rojava angesprochen, der Anfang 2013 etabliert wurde. Vor allem im Laufe des Jahres 2013 und in der ersten Jahreshälfte von 2014 intensivierten sich die Angriffe auf Rojava von Seiten der südkurdischen Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) und ihr nahestehender Organisationen in Rojava selbst. Neben offener Antipropaganda gegen das Projekt der Selbstverwaltung und die PYD wurde das Embargo gegen Rojava verschärft, sodass tatsächlich Gräben zwischen West- und Südkurdistan errichtet wurden. Auf protestierende Zivilist*innen wurde von südkurdischen Sicherheitskräften geschossen wobei es zu Toten kam. Vor allem die PDK arbeitet eng mit der türkischen Regierung zusammen, die eine Eskalation des Syrien-Konflikts vorangetrieben hat und die islamistischen Gruppen im Kampf gegen Rojava unterstützt. Im Mai 2014 nahmen von der PDK kontrollierte Geheimdienste und Polizei mehrere Aktivist*innen der PYD nahe stehender Organisationen in Südkurdistan fest und durchsuchten deren Büros. Hintergrund waren Berichte über die Verstrickung von PDK-Mitgliedern in Anschläge gegen zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Zivilist*innen in Rojava, um die Lage dort zu destabilisieren.

Was im gesamten Film nicht explizit angesprochen, jedoch immer mitgedacht wird, ist das Gesellschaftskonzept des Demokratischen Konföderalismus, das die kurdische Freiheitsbewegung in allen vier Teilen Kurdistans inspiriert und in Rojava derzeit in die Praxis umgesetzt wird. Die theoretische Darstellung des Demokratischen Konföderalismus war auch nicht die Intention der Filmemacher, doch lohnt eine tiefer gehende Auseinandersetzungen mit den Konzepten und Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung.

Mit „The Silent Revolution“ ist zwar keine umfassende Darstellung der Demokratischen Autonomie in Rojava oder der Entwicklungen im Syrien-Konflikt entstanden, doch bietet die Dokumentation eine Momentaufnahme aus dem Leben derjenigen Menschen, die die Revolution in Rojava gestalten, bescheiden, kontinuierlich und leise.

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