Wann
Freitag - 14.06.2024
19:00 - 21:00
Wo
Bootshaus der Naturfreunde München
Zentralländstraße 16 (Thalkirchen)
München
Der Referent des Abends Sebastian Schuller schreibt in seinem Buch Die Freiheit, die sie meinen über Verschwörungsideologien und über die Entstehung des autoritären Neoliberalismus. Der Verschwörungsglaube, so seine These, sei keine Angelegenheit von Exzentriker*innen, sondern erfülle im untergehenden Neoliberalismus eine stabilisierende gesellschaftliche Funktion. Als Beispiel dafür setzt er sich mit den verschiedenen politischen Bewegungen vor allem während der Corona-Pandemie der Jahre 2020 – 23 auseinander.
Die Corona-Pandemie gebe, so Schuller, einen beispielhaften Vorgeschmack auf die Entwicklung des Kapitalismus: Konfrontiert mit globalen Krisen wird der Neoliberalismus autoritär. Doch dieser Autoritarismus ist anders, als Verschwörungsgläubige oder liberale Meinungsmacher*innen uns glauben machen: denn die eigentliche Avantgarde von Diktatur und Zwang waren stets gerade die, die am lautesten nach der Freiheit riefen. Diesem autoritären Freiheitsfetisch und den untergründigen Beziehungen von Verschwörungsideologie und neoliberalem Mainstream geht Sebstian Schuller nach.
Im Zentrum seiner Analyse steht ein Denken, das er als »deutsche Corona-Ideologie« bezeichnet – eine Anspielung auf «Die deutsche Ideologie» von Marx und Engels. Schuller zeigt jüngste ideologische Entwicklungen des neoliberalen Kapitalismus auf. Als Grundlage dieser «Corona-Ideologie» beschreibt er einen herrschenden radikalindividualistischen Freiheitsbegriff und ein sozialdarwinistisches Menschen- und Gesellschaftsbild, das sich in der Ablehnung sämtlicher kollektiver Maßnahmen etwa zum Schutz vor dem Virus ausdrückt.
Ganz in der Tradition der neoliberalen Ideologiegeschichte, die Schuller in seinem Buch detailliert nachzeichnet, wird jeder Eingriff in das Marktgeschehen, jede Einschränkung der Wirtschaft oder des Konsums als tyrannischer Angriff auf die individuelle Freiheit gedeutet. Die Freiheit des Individuums wird als Gegensatz zum Allgemeinwohl aufgefasst, Covid-19 und dessen Folgen so individualisiert.
Sebastian Schuller ist Lehrer, Literaturwissenschaftler und Publizist.
In Kooperation mit dem Kurt-Eisner-Verein für politische Bildung in Bayern e.V.
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